Tom Obama
Zuerst war es ein Post-Paket. Von Tom Huber. Und dann war es ein LinkedIn-Post. Von Barak Obama. Über beides – über die Post und den Post – habe ich mich echt gefreut. Weil sie viel mit Menschlichkeit zu tun haben. Und damit, wie man sein Geschäft betreiben will.
Erstaunlich, aber wahr: Ich tummele mich seit 23 Jahren im Marken- und Marketingumfeld und bin seit 2008 selbstständig. Das ist eine lange Zeit. Lange genug zumindest, um mir im ständigen Panta rhei der immer neuen Projekte, neuen Kunden und neuen Beziehungen die Frage zu stellen: «Was ist mir in meinem beruflichen Umfeld eigentlich wichtig?» Die Antwort: Ich will mehr Tom Huber – und das, obwohl ich ihn zu Anfang gar nicht wollte. Und das kam so:
Tom hat mich über das Online-Template von wirtexten.ch angefragt – es ging um ein paar wenige Sätze, es ging um seine neue Website. Aber für ein paar Sätze ist der Baron eigentlich viel zu gut (Selbstwahrnehmung) und viel zu teuer (Fremdwahrnehmung). Doch dann kam es, wie es öfter kommt: Ich habe zuerst mit dem potenziellen Kunden telefoniert und dabei sein Commitment gespürt. Und dann habe ich meinen inneren Finanzminister zum Schweigen gebracht und trotz kleinem Budget Ja gesagt. Warum ich das gemacht habe?
Selbstwirksamkeitserfahrung – das höchste Ziel von Selbstständigen?
Weil Kohle das eine und Spass das andere ist. Und dass die Zusammenarbeit mit Tom Spass machen wird – für diese Vorahnung brauchte es keine prophetische Gabe, sondern nur etwas Erfahrung und Empathie. Wobei sich natürlich die Frage stellt, was «Spass» genau heisst. Meine persönliche Antwort: Wenn man seine Arbeit als wirksam und sich selbst als selbstwirksam erlebt.
Sein Tun als sinnhaft erleben und gemeinsam mit seinem Partner in einen produktiven Flow kommen – je grauer meiner Haare werden, desto wichtiger werden mir diese Aspekte. Darum habe ich mir vor einigen Jahren eine Entscheidungsmatrix zurechtgelegt, die bei Kundenanfragen zum Einsatz kommt und auf drei einfachen Parametern basiert: auf «Spass», «Geld» und «Entwicklung». Von diesen drei Kriterien müssen zwei erfüllt sein, bevor es zum gegenseitigen Ritterschlag kommt.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Das Motto «Ich bin jung und brauche das Geld» zieht für mich immer weniger. Und Kunden, mit denen ich keine (Selbst-)Wirksamkeit erziele, sind immer seltener meine Kunden. Diese Entscheidung hat etwas mit der Philosophie des ehrbaren Kaufmanns zu tun. Aber vor allem hat sie etwas mit intrinsischer Motivation und dem Wunsch nach Resonanz zu tun.
Resonanzfähigkeit – die wichtigste Komponente für ein gutes Leben?
Über diesen Wunsch nach Resonanz hat der Soziologe Hartmut Rosa ein interessantes Buch geschrieben, in dem er Resonanzfähigkeit als zentrale Komponente für ein gutes, erfülltes Leben beschreibt. Ich kann dem Herrn Professor da nur zustimmen: Nicht nur im Hinblick auf Menschen, sondern auch bezogen auf Marken. Denn die Fähigkeit, Resonanzen aufzubauen, ist die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen – zu Menschen, zu Gesellschaften, zur Welt und zur Umwelt. Diese Fähigkeit wird Marken und Unternehmen verstärkt prägen, und man kann durchaus die These aufstellen, dass Marken sich als Resonanz-generatoren begreifen und Unternehmen als schwingende Systeme definieren sollten. Übrigens: Das St. Galler Management-Modell sagt eigentlich nichts anderes, und hier wie dort geht es im Wesentlichen um Anschlussfähigkeit.
Was die Resonanzthese im Grossen heisst, müsste ausführlicher diskutiert werden. Doch was sie im Kleinen und Konkreten heisst, hat die Zusammenarbeit mit Tom gezeigt – ganz unerwartet und mit einem kleinen Päckchen.
Tom hat mir drei Flaschen edlen Rotwein geschickt – einfach so, und viele Monate, nachdem das gemeinsame Projekt abgeschlossen war. Mich hat das mega gefreut! Weil ich Traubensaft gerne habe. Und vor allem Menschen. Menschen, mit denen man – um in der Begrifflichkeit von Rosa zu bleiben – in schwingende Beziehung treten und sich selbst als selbstwirksam erleben kann. Im Kontrast zu dieser Art von Beziehungen sieht Rosa die stummen, rein instrumentellen Beziehungsverhältnisse, die auf Beherrschung und Verfügbarmachung zielen. Diese tauben Beziehungen habe ich den letzten 23 Jahren natürlich auch öfter erlebt, mitsamt den daraus resultierenden Konsequenzen: Energieverlust, Freudverlust, Wirkungsverlust. Doch nun zu Barak Obama.
Die Entscheidungsmatrix von Barak Obama
Am Tag nach der Flaschen-Post kam ein LinkedIn-Post, in dem das Buch des Ex-Präsidenten vorgestellt wurde. In diesem schildert Obama, wie seine Mutter einmal herausfand, dass er in der Schule ein anderes Kind gehänselt hatte. Daraufhin erklärte sie ihm, dass es zwei Arten von Menschen gäbe: Solche, die nur an sich denken und andere niedermachen, um sich selber wichtig zu fühlen. Und solche, die daran denken, wie sich andere fühlen, und es vermeiden, verletzende Dinge zu tun. Sie fragte ihn: «Welche Art von Mensch willst du sein?» Diese Frage war Obamas oberstes Prinzip in all seinen Entscheidungen. Ein gutes Prinzip, finde ich. Und ein Entscheidungskriterium, das man bei jedem E-Mail, jedem Telefongespräch, jedem Meeting und jeder noch so kleinen Interaktion anwenden kann.
Denn letztlich geht es bei der Entscheidung für oder gegen einen Kunden, für oder gegen einen Auftrag nicht um den schnöden Mammon, sondern immer um Menschen – und um die Resonanzräume, die einem im Leben wichtig sind. Diese Resonanzräume können lebendig oder tot, schwingend oder stumm sein. Und manchmal, in seltenen Fällen, kann dieser Raum sogar im Weinkeller liegen. Darum danke, Tom. Und Prost!
Übrigens:
Mehr über Hartmut Rosa und das Thema Resonanz gibts im Podcast «Soziopod»
Mehr über «Texten fürs Web» gibts in einem Webinar, das ich am Mittwoch – 10. März, 8:30 – durchführe. Bei Interesse einfach kurz per Mail melden: rolando@wirtexten.ch