Ich, der BMW

Das letzte Mal ging es um «Identitäre Bewegungen». Heute auch. Aber anders. Nämlich konkreter. Denn heute geht’s um BMW. Um meinen BMW, um genau zu sein. Und um Selbstkonzepte und symbolischen Konsum geht es auch.

 
 

Wissen Sie, was das Doofe ist, wenn man sich mit Marken befasst? Man durchschaut seine eigenen kleinen Täuschungsversuche. Darum funktioniert bei einem Markenapologeten auch nicht, was bei vielen anderen Menschen funktioniert: dass man nämlich aus seiner Lebenslüge ein Märchen macht. 

So ein netter Selbsttäuschungsversuch: Das war bei mir der BMW, der plötzlich vor meiner Türe stand. Gebraucht habe ich den nicht, diesen bajuwarischen Flitzer. Aber gewollt habe ich ihn, und zwar dringend. Denn damals, als der alte Volvo dem neuen Gefährt aus München wich, da stand nicht nur ein Fahrzeugwechsel an, sondern auch ein Identitätswechsel: Ich wurde Sekundarschullehrer.

Mit Sechszylindern seine Identität stabilisieren

Vom Werber zum Pauker, vom Creative Coach zum Schulmeister, vom Schmetterling zur Raupe: So muss man zwar nicht, aber so kann man diese Transformation bezeichnen – als ziemlich radikal also. Und als Gefährdung des eigenen Selbstkonzeptes. Doch sein Selbstbild zu gefährden – das tun die Menschen nicht so gerne. Das führt zu Krisen und zur Beschädigung des eigenen Identitätskonstrukts. Aber gottlob wird man in dieser Transformation nicht alleingelassen, und es gibt ein Heilmittel, das einen bei der kulturellen Selbstverortung retten kann: Das sind die lieben Marken. Und ein BMW. 

Einen solchen BMW habe ich mir also gekauft – mit vier Jahren auf dem Buckel und in attraktivem Silbergrau. Warum ich ihn mir gekauft habe? Natürlich nicht wegen der acht Airbags, des hohen Wiederverkaufswerts und des kurvenadaptiven Scheinwerferlichts. Zwar habe ich diese Argumente fleissig ins Feld geführt, meiner Frau gegenüber und im morgendlichen Dialog mit einem Spiegel. Aber wahrscheinlich wissen Sie schon jetzt, was ich damals ahnte: Die ganze Faktenhuberei war reine Sublimation. Und der überzeugende CW-Wert und der tiefere Verbrauch – alles nur rationalisierende Nobilitierungen von etwas zutiefst Emotionalem. Weil’s vor acht Jahren um Identität ging. Und um nichts anderes. Denn dass ich plötzlich mit speckiger Aktentasche und Filzjacke rumlaufen musste, konnte ich gerade noch verkraften. Aber mit einem verbeulten Lehrer-Volvo auf dem Lehrerparkplatz aufzutauchen – sorry, das ging gar nicht, und etwas Identitätsrettung hat der Baron dann schon noch gebraucht. Darum: Danke BMW. 

 

Symbols for Sale – eine kurze Nachbetrachtung

Nach diesem Schwank aus meinem Leben noch eine kurze Nachbetrachtung. Schliesslich bin ich so arrogant (typisch BMW-Fahrer halt), folgende Behauptung aufzustellen: Was der Baron gemacht hat, machen auch Sie. Weil’s gar nicht anders geht. Und weil Sidney Levy recht hat, wenn er feststellt: «People buy products not only for what they can do, but also for what they mean.»

Diese These hat Levy in seinem Buch «Symbols for Sale» aufgestellt und damit auf einen Umstand verwiesen, der bis heute das Marketing prägt. Kurz gesagt geht es dabei um den «symbolischen Konsum». Und lang gesagt: Vergessen Sie den Grundnutzen von Produkten, denn was in der spätmodernen Gesellschaft wirklich zählt, ist die Fähigkeit von Waren, Identitäten zu formen, zu stabilisieren und nach aussen sichtbar zu machen. Insofern müsste es heissen: «Ich kaufe, also bin ich.» (Und wichtiger als Descartes sind wahrscheinlich Deichmann und Danone). Hierzu drei Beispiele: 

1. Harley: Nicht für Rocker, sondern für Banker

Rocker fahren Harley, sollte man denken. So kommuniziert das auch die Werbung. So ist aber nicht die Realität. Denn der typische Harley-Kunde in Zürich ist der Privat-Banker. Warum? Weil Banker bestimmte Unzulänglichkeiten ihres Selbstkonzepts ausgleichen und auch mal ihren Testosterongehalt zur Schau stellen möchten – selbst wenn’s nur am Weekend und für zwei Stunden am Albis ist.

 
 

2. Coca-Cola: Nicht wegen des Geschmacks, sondern wegen des Images

Geschmack wird von der Zunge und den vielen kleinen Geschmackspapillen bestimmt, sollte man meinen. Stimmt aber nicht. Denn obwohl Menschen lieber Pepsi trinken, kaufen sie mehrheitlich Coca-Cola, wie Blindtests zeigen. Warum? Weil das Identitätsversprechen vom «Real Thing» besser zu den Identitätssehnsüchten der Konsumenten passt. So wird in den roten Dosen nicht primär Zuckerwasser verkauft, sondern amerikanische Happiness und Yankee-Feeling im handlichen Sixpack. 

 
 
 

 3. Rot oder Grün: Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Verpackung

Über Politik kann man sich ewig streiten – auch zwischen Sozialdemokraten und Grünen. Dabei zeigt eine Auswertung von Smartvote und NZZ, dass beide Parteien im Parlament deckungsgleich abstimmen. Warum also die langen Diskussionen zwischen den beiden Farbvarianten? Ganz einfach: weil’s nicht um Politik geht, sondern um soziale Distinktion und die Bedienung unterschiedlicher Milieus mit ihren spezifischen Identitätsnarrativen.

 

Zum Schluss noch dies: Meinen BMW gibt es schon lange nicht mehr. Mein Lehrerdasein übrigens auch nicht. Stattdessen fahre bin ich jetzt Velo und Mobility. Denn, ist doch klar – ich bin ein moderner Performer, pflege den Metropolitan Lifestyle und lebe als Forever Youngster. Und falls Sie das bezweifeln sollten, dann zeige ich Ihnen meinen Fahrradhelm: Der ist aussen aus Carbon und hat innen ein nachhaltiges Bio-Futter. Einen besseren Identitätsbeweis kann’s nicht geben, oder? 

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