Über Marken, die Liebe und meine Kunden

Eigentlich leide ich nicht unter Schreibstau. Ausser diesmal. Denn diesmal möchte ich über die Liebe schreiben – nicht zu meiner Frau, nicht zu meinen Kindern. Sondern zu Ihnen, meinen Kundinnen und Kunden. Aber sich als professioneller Liebesdiener zu outen, das ist nicht so einfach. Doch warum eigentlich?

 

Plakat in Berlin – und ein sehr guter Gedanke.

Man kann mit Liebe kochen und sehr amourös seinen Garten pflegen. Man kann sein Auto lieben, seine Spielkonsole und seinen Laubbläser, und es soll sogar Menschen geben, welche sich dem Staubwischen mit zärtlicher Hingabe widmen. Liebe ist also überall. Und wenn Liebe überall ist, dann darf (und muss), man auch seine Kunden lieben. Das tue ich. Weil ich so bin, wie ich bin. Und weil ich Marketeer bin (und keinen Garten habe).  

Der Marketeer als Liebender – in der gängigen Fachliteratur werden Sie diese Definition nicht finden. Aber im vollen, prallen Leben. Denn was macht der Marketeer? Er sorgt dafür, dass die entzauberte Welt wieder verzaubert wird. Das war jetzt Max Weber. Und er macht das, was früher die Minnesänger machten: Er pflegt den galanten Umgang, er singt holde Lieder und er verdingt sich als lautenschlagender Troubadour des lustvollen Lebens. Das war jetzt Walther von der Vogelweide.

Marketing ist Liebe. Und umgekehrt.

Sie sehen: Marketing ist immer Liebe. Und umgekehrt. Denn Marketing und Liebe sind immer Lyrik und nie Prosa. Eine Lyrik, die aus dem schnöden Alltag einen Sonntag macht, und mit schwungvollen Arabesken ein kunstvolles «Mehr» generiert – ein Mehr an Gefühlen, an intrinsischer Motivation, an passionierter Interaktion. Es ist dieses Mehr, das aus dem adäquaten Sexualpartner den wahrhaft Geliebten macht. Und aus dem Käufer einen Kunden.  

Wobei – statt «Kunde» müsste man eigentlich «Partner» sagen: Geschäftspartner. Oder, noch besser, Lösungspartner. Das Interessante dabei: Wer von Lösungspartnerschaft spricht, der fügt der trauten Zweisamkeit ein gemeinsames Drittes hinzu – eine Aufgabe, eine Herausforderung, ein gemeinsames Projekt. Das Kuscheln mit den Kunden ist also ein zielorientiertes Kuscheln. Und ein entwicklungszentriertes.

Liebe ist: entwicklungszentriertes Kuscheln!

Dieses entwicklungszentrierte Kuscheln ist das Geheimnis jeder erfolgreichen Liebe. Und fast jeden erfolgreichen Geschäftens. Das trifft auf viele Branchen zu – auf Anwälte, Banker, Coaches, Designer, Erzieher (und Popcorn-Fabrikanten natürlich auch) – und ist immer dort wirkungsmächtig, wo es nicht um Produkte geht, sondern um Prozesse. Der Antagonismus von «Produkt versus Prozess» entspricht daher dem Dualismus von «Sex versus Liebe» und die Formel lautet:

  • Sex/Produkt = die schnelle Transaktion und der einfache Quick(y)-Win

  • Liebe/Prozess = die langfristige Beziehung und die komplexe Entwicklung

Der zentrale Unterschied: Produkte sind etwas Fertiges, die im Jetzt situiert sind. Und Prozesse sind etwas Entstehendes, das sich auf zukünftige Zustände bezieht und Veränderung impliziert. Oder, mit etwas weniger Minnesang formuliert:

  • Sex/Produkt = das ist Fertigpizza (tiefgekühlt und aus dem Regal)

  • Liebe/Prozess = das ist Kochen (DIY und Schritt für Schritt)

Das Lustige dabei: 70 Prozent aller Menschen sind in der Kochbranche tätig, weil sie in der Lösungsentwicklungsbranche, in der Servicebranche, in der Beratungsbranche oder in der Prozessbranche tätig sind. Und doch tun viele so, als würden sie Fertigpizzas verkaufen. Darum hier die Frage (als Lernkontrolle von Lehrer Baron): Was verkaufen Architekten, Apotheker, Altenpfleger, Anwendungsentwickler, Ärzte? Die Antwort: Ein Architekt verkauft keine Häuser, sondern Hausbauprozesse. Und ein Arzt verkauft keine Pillen, sondern brilliert mit Kümmerkompetenz und gesundheitsbezogenen Interaktionen. Darum hier die nächste Gleichung:

  • Sex/Produkt = Transaktion und Austausch von Leistungen

  • Liebe/Prozess = Interaktion und Aufbau von Beziehungen

Allerdings ist das mit den Beziehungen so eine Sache, weil hier ein weiterer Aspekt ins Spiel kommt: das Vertrauen. Ein Vertrauen, das die Grundlage darstellt, um komplexe Entscheidungen überhaupt treffen zu können und das auf einem Vorschuss basiert – nämlich auf dem Vertrauensvorschuss bezüglich der Güte und der Kompetenz seines Gegenübers. Dazu braucht es gemäss Niklas Luhmann zwei Dinge: Vertrautheit und Zuversicht. Also Liebe. Denn Vertrauen entsteht dadurch, wodurch auch Liebe entsteht: durch Respekt, Ehrlichkeit, Zuwendung, Hingabe, Aufmerksamkeit. Darum ist das Gegenteil von Liebe nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Oder in den Worten von Irina Rauthmann:

«Die schönste Liebeserklärung ist nicht ‹Ich liebe dich› oder ‹Ich brauche dich›, sondern ‹Du bist mir wichtig!›»


«Du bist mir wichtig»: Diese Aussagen sollte man zum heiligen Mantra aller Beratungsboutiquen und Callcenter machen. Doch bevor Sie jetzt jubeln und sich auf ein Leben voller Streicheleinheiten freuen, sei noch angefügt: Zu «Du bist mir wichtig» gehört zwingend «Du mir auch». Ohne Reziprozität keine funktionierende Beziehung, wobei diese Wechselbezüglichkeit auf folgende Formel heruntergebrochen werden kann:

  • Liebe ist, wenn aus dem «Ich» ein «Wir» wird

  • Ein «Wir», das in Schnittmengen denkt und nicht in den Teilmengen

  • Ein «Wir», das nicht in A oder B verharrt, sondern den Mut hat, C zu sagen

Dieses C ist in der Liebe alles Mögliche – etwa gemeinsame Kinder, gemeinsames Kochen und gemeinsames Reden (oder so). Es ist also der Moment, in dem Neues neu erlebt wird. Und in der Beziehung zu seinen Kunden? Da gilt dasselbe, auch wenn das Wording hier etwas anders ausfällt: Statt Erleben steht hier das Lösen im Vordergrund. Und statt um Kinder kümmert man sich um Projekte – am besten mit Herzblut und viel (nota bene) Skin in the Game.

Danke, Danke, Danke!

Diese Herzblutkunden habe ich. Herzblutkunden, auf die ich richtig stolz bin, und denen ich mit diesem Artikel aus aktuellem Anlass eigentlich nur Merci sagen wollte. Darum Danke, Danke, Danke, zum Beispiel an:

  • probon, die mich erst auf die Idee zu diesem Blogartikel gebracht haben

  • ethik22 und Dr. Thomas Wallimann-Sasaki für das herzlichste Erstkundengespräch ever

  • pidas, bei denen man echte Kundenliebe täglich live erleben kann

  • aiaibot, die zeigen, dass sich sogar Kundenliebe digitalisieren lässt

  • Solina, die Menschlichkeit in einen sehr modernen Auftritt übersetzt haben

  • Und an Claude, Conny, Cornelia, Daniela, Elke, Falk, Heiko, Gernot, Isabelle, Jolanda, Kamilla, Lukas, Marc, Marit, Maja, Micheal, Natalie, Nathalie (2mal), Neand, Patrik, Peter, Philip, Roger, Silvia, Stephan.

Ihr alle denkt vielleicht, eine gute Zusammenarbeit sei normal. Denke ich auch. Aber ich denke ebenso: Eine gute Zusammenarbeit ist riesiges Geschenk. Wie die Liebe. Denn die ist ja auch normal, irgendwie. Und genial ist sie, jeden Tag aufs Neue!

 
 

Der Lindy-Effekt, visualisiert von Roman Tschäppeler und Mikael Krogerus

 

 

 
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