Über Marken, Fussball und soziale Räusche

Marken wären gerne das, was der Fussball ist: ein Faszinosum. Und betrachtet man Marken strukturell, dann sind sie das auch: Nämlich ein soziales Phänomen, das zu kollektiven Räuschen führen kann. Was es dafür braucht? Konstanz. Varianz. Und Feedbackschleifen.

Jedes Wochenende passiert ein kleines Wunder. Das heisst Fussball, dauert 90 Minuten und schlägt jeden Samstag Abermillionen in seinen Bann. Was dieses Wunder auszeichnet? Es ist die permanente Wiederholung des Immergleichen: Anstoss, Grätsche, Ecke, Tor. Jeden Samstag. Und am Sonntag heisst es dann: Anstoss, Ecke, Dribbling, Tor – das Gleiche, aber anders.

Minimale Variationen des Immergleichen – so sehen auch die Vereine aus, welche tief in den Herzen der Hooligans verankert sind. Oder der Kult, den die Fans zelebrieren – überall mit Schal, überall mit Kutte, überall mit lautstarkem Gesang: Baaaaaasel. Oder Beeeeerlin. Oder (schlimmer noch) Biiiiiiielefeld. Dieses Baaaaasel hält der Bebbi für einen wichtigen Teil seiner Identität. Dabei ist es nur Inszenierung. Denn wenn der Basler in Bielefeld geboren wäre, dann würde er eben Biiiiiiielefeld schreien. Sein Geschrei beruht also auf einem lokalen Zufall und deshalb brüllt der Fan auch so laut – damit der Zufall nicht so zufällig scheint und die Inszenierung zur eigenen Identität wird.

Symbole, Rituale und ständige Wiederholung

Purer Zufall, aus dem Leidenschaft entsteht – das kennzeichnet den Fussball. Das zeichnet aber auch Marken aus. Wobei das mit dem Zufall so eine Sache ist, denn zufällig ist nur das Subjekt der Liebe, nicht aber die Struktur der holden Passion. Denn ob Basel, Berlin oder Bielefeld, das ist ziemlich egal. Was aber weder egal noch zufällig ist: Wie der soziale Rausch entsteht, den sowohl Ballsport als auch starke Brands erzeugen.

Soziale Räusche entstehen durch die Nutzung von Symbolen und die Schaffung von Ritualen. Und durch deren ständige Wiederholung – jeden Samstag. Und jeden Dienstag, Mittwoch, Freitag und Sonntag natürlich auch.

Durch Wiederholung Glaubwürdigkeit generieren und somit einen Eigenwert als Marke aufbauen – das ist das eine Erfolgsgeheimnis von starken Brands und balltretenden Clubs. Es geht also um Musterbildung und die Erzeugung von Selbstähnlichkeit. Übrigens: In der Geometrie beschreibt man «Selbstähnlichkeit» als Fraktale, die sich durch wiederkehrende, in sich selbst verschachtelte Strukturen auszeichnen – wie bei Farnen oder Kohlköpfen. Deshalb könnte man behaupten: Der FC Basel ist ein eigentlich ein Brokkoli. Und die Ballartisten, das sind überbezahlte Bauern auf dem Acker der permanenten Repetition.


Minimale Varianz für maximale Konstanz

Aber, und jetzt kommt das zweite Erfolgsgeheimnis von sozialen Räuschen: Das Immergleiche muss immer anders sein. Ein bisschen zumindest. So darf das Tor in der 9. oder in der 90. Minute fallen, der Unterlegene darf mal der Überlegene sein und die Nachspielzeit darf 3 statt 2 Minuten dauern – maximal.

Man kann also sagen: Es ist die standardisierte Individualität, welche die massenhafte Anschlussfähigkeit erst ermöglich, und es sind die minimalen Varianzen, mit denen man eine maximale Konstanz erzielt. Das gilt für die Liebe zu Marken und zu seinem Verein. Das gilt aber auch für die Liebe zu seiner Herzallerliebsten und dauerhafte Partnerschaften.

Noch ein letzter Gedanke. Und zwar einer, der für den Fussball essenziell ist, für die Markenführung essenziell sein sollte und ein Tipp für jede gelungene Beziehung ist: Es reicht nicht, nur ein paar Symbole zu definieren. Und ein paar Rituale zu etablieren – das Teammeeting am Montagmorgen, das Candle-Light-Dinner am Freitagabend – ist zwar ganz nett, aber nur ein bescheidener Anfang.

Berauschende Feedbacks und die aktive Masse

Darum zurück zum Spiel mit dem runden Leder und den sozialen Räuschen: Soziale Räusche sind kulturelle Phänomene, die sich durch vielfältige Feedbackschleifen auszeichnen – Feedbackschleifen, welche der Fussball perfekt zu inszenieren weiss: mit dem Brüllen der Spielernamen, dem Anfeuern der Eigenen, dem Niederpfeifen der Anderen, dem Hüpfen auf der Tribüne und dem Tanzen von Fans und Spielern nach 90 Minuten. Diese zahlreichen Interaktionen sind zwar nicht der Fussball selbst. Aber das Fussballerlebnis. Und um das geht es.

Ob Konzerte oder Sportereignisse, politische Bewegungen (leider auch ganz schlimme) oder starke Marken: Wer Massen affizieren möchte, sollte schwingende Resonanzräume aufbauen, die soziale Räusche ermöglichen. Führende Love-Brands machen das schon heute so: zum Beispiel Oprah Winfrey mit ihrem Vermögen von 2.8 Milliarden. Oder Shirin David. Oder Harley-Davidson mit ihrer «Harley Owners Group». Oder, bestes Beispiel, Red Bull – ein Konzern, der letztes Jahr einen Gewinn von 1.7 Milliarden Euro einfahren konnte (bei einem Umsatz von «nur» 6 Milliarden Euro). Wie die Salzburger Brausehersteller das geschafft haben? Nicht, indem sie Dosenlimos verkaufen, sondern soziale Räusche inszenieren, die Teilhabe versprechen.

Die Magie der Zugehörigkeit

So gesehen ist die Dose das, was das Eintrittsticket für die Welt des Fussballs ist: Es ist ein magisches Passepartout, welches Zugang zu kollektiven Räuschen verschafft und Zugehörigkeit verspricht. Wie bei einem Totem, wie bei einem mythischen Clan. Das Lustige dabei: Man muss noch nicht mal bei einem der Red-Bull-Veitstänze teilnehmen, um an der geheimnisvollen Marken-Aura zu partizipieren. Denn obwohl ich noch nie bei den Flugtagen, Air Races, Mountainbike-Rennen und Formel-1-Events zugegen war – ein kleiner Schluck aus der Alubüchse genügt, damit auch ich der Teil der energiegeladenen Bullen-Community bin.

Tja, schon magisch, diese Markenführung. Und sehr erfolgreich. Darum: Wer einen Geldrausch erzielen möchte, sollte in soziale Räusche investieren. Das macht nicht nur reich, sondern auch glücklich – meistens, zumindest.

Hier noch zwei Lesetipps für den besinnlichen Tage (verbunden mit einem grossen Dank für die Inspiration zu diesen Zeilen):

 
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