Markenführung und der Tierpark Goldau

 

Ich gestehe: Ich habe ein Poesiealbum. Das gibt’s zwar nur virtuell und ist in meinem Oberstübchen versteckt. Dennoch ist es reichlich mit guten Sinnsprüchen bestückt. Einer dieser Sprüche geht so: «Die Wahrheit liegt immer im Konkreten!» Und das gilt besonders für Marken.

 
 

© Natur- und Tierpark Goldau

 
 

Fällt der Begriff «Marke», dann kann man zwei unterschiedliche Reaktionen beobachten: Die einen reagieren passiv-aggressiv und scheinen «Marke» den okkulten Parawissenschaften zuzuordnen. Andere hingegen wechseln abrupt in den salbungsvollen Flüsterton und verstehen «Marke» als etwas sehr Nobles oder Sakrales. Das Lustige dabei: Beide Fraktionen haben sowohl recht als auch unrecht.

Sie haben recht, wenn sie Marken als auratische Narrative interpretieren – als etwas, das über das schnöde Produkt hinausweist und dieses mit Bedeutung auflädt. Und sie haben unrecht, wenn sie meinen, Markennarrative wären glitschig-feuchte Nebelwolken und daher kaum gestaltbar. Genau das Gegenteil ist der Fall: Marken sind nicht glitschig, sondern sehr konkret, zumindest für die Kundinnen und Kunden.

Marken sind das, was ist

Marken sind so konkret, wie Unternehmen konkret sind – wie der Telefonservice, der Kundenparkplatz, die Fussmatte und das Toilettenpapier auf dem WC konkret und erlebbar sind. Denn alles, was Menschen von einer Organisation wahrnehmen, ist Marke – ob es sich nun um die schmucke Schauseite eines Unternehmens oder den versteckten Abort handelt. So entsteht Marke immer dann, wenn Produzent und Konsument miteinander interagieren. Darauf hat Alvin Toffler schon in den 80er-Jahren verwiesen, als er den Begriff des «Prosumers» einführte. Und ins gleiche Kerbholz schlägt Marty Neumeier, der feststellt: «Your brand isn’t what you say it is. It’s what they say it is.»

Vom Anspruch zur Wirklichkeit

Die logische Konsequenz: Der selbst proklamierte Anspruch einer Marke ist zwar wichtig. Er ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, den Markenanspruch in die Markenwirklichkeit zu überführen. Darum sind gute Markengestalter Brückenbauer, die zusammenzubringen, was zusammengehört: die Meta- und die Handlungsebene; die Fiktion der sinnstiftenden Narrative und die faktische Realität der konkreten Erlebnisse. Denn wie gesagt: Die Wahrheit liegt immer im Konkreten!

Der Natur- und Tierpark Goldau

Welche Konsequenzen diese Arbeit am Konkreten haben kann? Das mag der Natur- und Tierpark Goldau verdeutlichen, für den ich vor einigen Jahren den Markenkern entwickelt habe. Das Schöne an diesem Beispiel: Ein Tierpark ist natürlich reich mit Brand Touchpoints gesegnet und ein Paradebeispiel für eine umfassende Brand Experience. Zudem ist ein Tierpark als Case-Study wunderbar plastisch und lebensnah. Darum erlaube ich mir, Sie jetzt im Schweinsgalopp durch den Streichelzoo zu jagen, indem ich den «Tierpark alt» dem «Tierpark neu» gegenüberstelle – als Kontrastverfahren von Ist- und Sollzustand, sozusagen.

So wird deutlich, dass Markenarbeit kein Pillepalle ist und sich nicht allein auf Logo, Claim und Schriften beschränkt, sondern dass es letztendlich um alles geht – um die Wirklichkeit und damit die Wahrheit eines Unternehmens.

 

Markenanspruch: Vom Streichelzoo zum Wildpark

  • Markenanspruch alt: Streichelzoo

  • Markenanspruch neu: Wildpark

 
 
 

Markenwirklichkeit: Vom generischen Angebot zum spezifischen Erlebnis

  • Kinderspielplatz «Streichelzoo»: Das Übliche

  • Kinderspielplatz «Wildpark»: Ein Abenteuerspielplatz

  • Restaurant «Streichelzoo»: Schnitzel und Pommes frites

  • Restaurant «Wildpark»: Regionales Essen und «wilde» Signature Dishes

  • Mitarbeitende «Streichelzoo»: Tierpfleger

  • Mitarbeitende «Wildpark»: Ranger, die Auskünfte geben, Entdeckungstouren anbieten und echte Kompetenzträger werden

  • Erlebnisse «Streichelzoo»: Freilaufzonen als Highlight

  • Erlebnisse «Wildpark»: «Wilde Erlebnisse» als Highlight – von Wurstworkshops für die Grossen über Outdoorspielgruppen für die Kleinen und bis hin zum Schlafen im Tierpark für alle.

Was dieser Markenschweinsgalopp zeigt: Wer Markenarbeit auch auf die Leistungen und Angebote einer Organisation bezieht, wird zukunftsweisende Möglichkeitsräume entdecken. So hätte aus einem hundskommunen Tierpark zum Beispiel Folgendes werden können: Ein Freizeitpark Rust, allerdings für Naturliebhaber und Latte-macchiato-Familien. Und ein erlebnisreicher Wildpark, der «Convenience Nature» und gezähmte Outdoorerlebnisse anbietet und dem sich so neue, attraktive Wertschöpfungspotenziale eröffnen.

 
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